Ursachen und Zweck des Ukrainekrieges – Propagandalügen und schockierende Geständnisse des Geostrategen George Friedman

„GEORGE FRIEDMAN – ist ein US-amerikanischer Geostratege und Sicherheitsexperte, Politologe und Publizist. Er gründete 1996 das private Beratungsinstitut Startfor…

Strategic Forecasting, Inc (abgekürzt Stratfor) ist ein US-amerikanischer Informationsdienst, der Analysen, Berichte und Zukunftsprojektionen zur Geopolitik, zu Sicherheitsfragen und Konflikten anbietet.“ (Wikipedia)

Am 04. 02. 2015 hielt George Friedman einen bemerkenswerten Vortrag als Gastredner des Chicago Council on Global Affairs:

Der Chicago Council on Global Affairs ist eine Denkfabrik für globale Angelegenheiten, die sich selbst als “unabhängige, überparteiliche Organisation beschreibt, die Einblicke in kritische globale Themen gewährt und den öffentlichen Diskurs beeinflusst“.

Ich behaupte, dass es sinnvoll ist, den Inhalt dieser Rede zu kennen, um die Hintergründe der Ukrainekrise (die Ursachen und den Zweck des Ukrainekrieges) besser verstehen zu können. Deswegen habe ich die (meiner Meinung nach) wichtigsten Aussagen, die in dieser Rede beinhaltet sind, ausgewählt und übersetzt.

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Am 8. August marschierte Russland in Georgien ein. Das ist extrem wichtig.

Zuvor hatte es in den 90er Jahren in Europa bereits einen schrecklichen Krieg in Jugoslawien gegeben, mit hunderttausend Toten.

Aber die Europäer haben erklärt, dass die Jugoslawen eigentlich keine (nicht wirklich) Europäer sind.

Aber da marschiert Russland, das durch seine Erfahrungen im Kalten Krieg, im Zweiten Weltkrieg und im Ersten Weltkrieg eindeutig geläutert ist, und von dem man annehmen könnte, dass es jetzt eine liberale Strategie verfolgt, in Georgien ein.

Plötzlich kehrt die Geschichte zurück. Plötzlich kommt die Idee, dass wir alle diese Phase hinter uns gelassen haben, zu uns zurück.

Warum sind die Russen in Georgien einmarschiert? Georgien war ihnen eigentlich egal.

Es war nicht so, dass Putin Shakashivili hasste. Jeder hasste Schakaschwili, aber das war nicht der Grund.

Die Vereinigten Staaten hatten eine Reihe von farbigen Revolutionen in der gesamten russischen Peripherie inszeniert, eine davon war in der Ukraine, die Orange Revolution.

Die Russen sahen in dieser Orangen Revolution die Absicht der Amerikaner, die Russische Föderation zu zerstören. Warum sonst sollten die Vereinigten Staaten Gruppen unterstützen, die demonstrieren? – sagten sie.

Die Vereinigten Staaten steckten zu dieser Zeit im Irak und in Afghanistan, in Mali und an jedem anderen Ort, den man sich vorstellen konnte, fest.

Der Zweck der Invasion in Georgien und der Lüge bezüglich der Vereinigten Staaten war einfach der, zu sagen: Das ist eine amerikanische Garantie wert.

Die Ukrainer anzuschauen und zu sagen: Ihr wollt ein amerikanischer Verbündeter sein? Das wollten die Georgier auch. Viel Spaß!

Das ist sehr wichtig, wenn wir über die Ukraine sprechen, denn das ist der Ursprung dieses andauernden Ringens in der Ukraine. Das wird nicht so bald enden. Es hat auch Europa, oder zumindest einen Teil davon, zu der Erkenntnis gebracht, dass die russische Frage nicht geklärt ist. Und dass sie sich einfach neu und anders gestellt hat.

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Frage aus dem Publikum:

– Wenn Sie jetzt in der Ukraine sind und die ukrainische Regierung – oder lassen wir die Regierung beiseite, sondern das Volk – sind; eigentlich sollte das Volk die Regierung sein, aber das ist ein ganz anderes Thema. Was würden Sie jetzt tun: Schauen Sie nach Europa, das von Putin selbst als die Geißel der Welt kritisiert wurde? Oder schauen Sie auf sich selbst? Wohin schauen Sie?

Wie geht es mit der Ukraine weiter?

George Friedman:

– Nun, die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, ist: „Sind Sie ein ukrainischsprachiger oder ein russischsprachiger Ukrainer?“, denn in der Ukraine gibt es beides.

Obwohl die Idee, dass die russischsprachigen Ukrainer wirklich Autonomie wollen, weil sie von den ukrainischsprachigen Mitbürgen schlecht behandelt wurden, abgetan wird, ist diese (Idee) auch wahr.

Die Ukrainer wollen keine Föderation. Die russische Position – und damit meine ich die Russen (Russen in der Ukraine!) – lautet : “Seht her, Kanada ist föderalisiert, Québec spricht seine eigene Sprache und alles ist in Ordnung”. Aber die Ukrainer wissen, dass dies nur der Anfang ist. Ich meine, die Föderalisierung würde zu einer Dezentralisierung führen.

Wenn sie ein Ukrainer sind, werden sie Ausschau danach halten, wer Ihnen als einziger helfen kann und das sind die Vereinigten Staaten.
Letzte Woche, oder vor etwa zehn Tagen, war der Oberbefehlshaber der US Army in Europa, General Ben Hodges zu Besuch in der Ukraine. Er kündigte dort an, dass die US Ausbilder in der Ukraine demnächst offiziell kommen sollen und nicht nur inoffiziell. Er hat dort tatsächlich Orden an die ukrainischen Kämpfer verteilt, obwohl es gegen militärisches Protokoll ist, dass Soldaten Orden von fremden Armeen annehmen. Doch er tat das, weil er damit zeigen wollte, dass die ukrainische Armee seine Armee ist. Dann ging er weg und verkündete in den baltischen Staaten, dass die Vereinigten Staaten Panzer, Artillerie und andere Militärausrüstung in den Baltischen Staaten, Rumänien, Polen und Bulgarien in Stellung bringen würden.

Das ist ein sehr interessanter Punkt. Und gestern haben die Vereinigten Staaten angekündigt, dass sie vorhaben, Waffen in die Ukraine zu liefern. Das wurde in der Nacht wieder dementiert, aber sie tun das. Die Waffen werden geliefert. Und bei all diesen Handlungen agieren die Vereinigten Staaten außerhalb des Rahmens der Nato, weil Nato Entscheidungen von allen Nato Mitgliedern einstimmig getroffen werden müssen und jedes Land ein Veto einlegen kann. Die Türken machen das schon aus Jux. Der Punkt bei der ganzen Sache ist, dass die USA ein Cordon Sanitaire, einen Sicherheitsgürtel um Russland herum aufbauen und Russland weiß das. Russland glaubt, die USA beabsichtigen die russische Föderation zu zerschlagen. Ich denke, wir wollen sie nicht zerschlagen, sondern sie nur ein wenig schwächen. Jedenfalls sind wir wieder beim alten Spiel und wenn sie einen Polen, Ungarn oder Rumänen fragen, die leben in einer ganz anderen Welt als die Deutschen und diese in einer ganz anderen Welt als die Spanier. Es gibt keine Gemeinsamkeit in Europa. Aber wenn ich Ukrainer wäre, würde ich genau das tun, was diese tun, versuchen die Amerikaner hineinzuziehen…

Es wird Konflikte in Europa geben, es gab schon Konflikte in Jugoslawien und jetzt auch in der Ukraine. Was Europas Beziehungen zu den Vereinigten Staaten betrifft, wir haben keine Beziehungen mit Europa. Wir haben Beziehungen mit Rumänien, wir haben Beziehung mit Frankreich, aber es gibt kein Europa, mit dem man Beziehungen haben kann.

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Der islamische Extremismus ist ein Problem für die Vereinigten Staaten, aber keine existenzielle Bedrohung. Man muss sich damit befassen, man muss sich damit angemessen befassen.

Wir haben andere außenpolitische Interessen. Das Hauptinteresse der US Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im ersten und im zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg, waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse war sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt…

Die Vereinigten Staaten haben ein fundamentales Interesse. Sie kontrollieren alle Ozeane der Welt. Keine andere Macht hat das jemals getan. Aus diesem Grund können wir in andere Länder eindringen, aber sie können das nicht bei uns. Das ist eine schöne Sache. Die Aufrechterhaltung der Kontrolle über die Ozeane und des Weltalls ist die Grundlage unserer Macht.

Der beste Weg eine feindliche Flotte zu besiegen, ist zu verhindern, dass diese gebaut wird. Der Weg, den die Briten gegangen sind, um sicherzustellen, dass keine europäische Macht die Flotte bauen konnte, ist, dass die Europäer einander bekämpften.

Die Politik, die ich empfehlen würde, ist die, die Ronald Reagan angewendet hat im Iran-Irak Krieg, 1980 bis 1988. Er finanzierte beide Seiten, so dass sie gegeneinander kämpften und nicht gegen uns. Das war zynisch, bestimmt nicht moralisch, aber es funktionierte. Und das ist der Punkt. Die Vereinigten Staaten sind nicht in der Lage ganz Eurasien zu besetzen und in dem Moment wo unsere Stiefel den Boden berühren, sind wir demographisch zahlenmäßig unterlegen. Wir können eine Armee besiegen, aber wir sind nicht in der Lage den Irak zu besetzen. Die Idee, dass 130.000 US Soldaten ein Land mit 25 Millionen Menschen besetzen würden (ist unsinnig). Das Verhältnis zwischen der Anzahl der Polizisten und der Einwohner von New York ist größer als das Verhältnis von US-Soldaten und der irakischen Bevölkerung. Also sind wir nicht in der Lage überall militärisch zu intervenieren, aber wir sind in der Lage gegeneinander kämpfende Mächte zu unterstützen, damit sie sich auf sich selbst konzentrieren können. Sie zu unterstützen politisch, finanziell, militärisch und mit Beratern. Im äußersten Fall können wir das tun was wir in Japan, nein in Vietnam, im Irak und in Afghanistan taten, mit Störangriffen intervenieren.

Sogenannte Störangriffe zielen nicht darauf ab, den Feind zu besiegen, sondern den Feind aus dem Gleichgewicht zu bringen. Etwas was sie in jedem dieser Kriege taten. In Afghanistan zum Beispiel brachten wir die Al Qaida aus dem Gleichgewicht. Das Problem das wir haben, da wir so jung und dumm sind ist, dass wir die Feinde aus dem Gleichgewicht brachten und anstatt zu sagen, wir haben den Job gut gemacht, lasst uns jetzt nach Hause gehen, sagte jemand, das war aber leicht, lasst uns hier doch noch eine Demokratie aufbauen. Das war der Moment unserer Geistesschwäche.

Deshalb lautet die Antwort, die USA können nicht ständig und überall in Eurasien militärisch intervenieren. Sie müssen selektiv intervenieren und möglichst selten. Das ist der Extremfall. Wir können nicht als ersten Schritt US-Truppen aussenden, aber wenn wir es tun, dann muss uns klar sein, was die Mission ist, sie darauf zu begrenzen und nicht alle möglichen irren Fantasien zu entwickeln.

Hoffentlich haben wir dies letztlich verstanden. Kinder brauchen immer etwas Zeit um Lektionen zu lernen… Wir, als Imperium, können das, überall intervenieren, nicht tun. Die Briten haben damals Indien nicht besetzt. Sie haben einfach die einzelnen Staaten Indiens genommen und ließen sie gegeneinander kämpfen. Die Briten haben britische Offiziere bei der indischen Armee installiert. Die alten Römer haben auch keine riesigen Armeen in entlegene Regionen entsandt, sondern sie haben pro-römische Könige eingesetzt und diese Könige waren verantwortlich für die Aufrechterhaltung des Friedens, zum Beispiel Pontius Pilatus. Also Imperien die versuchen, das ganze Imperium selbst zu regieren, scheitern, so wie es mit dem Nazi-Imperium der Fall war. Niemand hat so viel Macht. Da muss man schon klug vorgehen.

Wie auch immer, das ist noch nicht unser Problem, sondern dass wir zugeben, dass wir ein Imperium haben. Wir haben den Punkt noch nicht erreicht, wo wir glauben, wir könnten nach Hause gehen und alles wäre vorbei. Wir sind noch nicht einmal bereit für das dritte Kapitel des Buches…

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Frage aus dem Publikum:

– Liegt es im Interesse der USA, Russlands europäische Macht einzudämmen?… Ich bin nur neugierig, wie Sie sich die Architektur vorstellen, wenn sie implodiert, was dann passieren wird – ein beängstigendes Szenario. Können Sie uns ein wenig mehr darüber sagen?

George Friedman:

– Nun, denken Sie an die Struktur Europas. Wenn Sie eine Linie von St. Petersburg nach Rostow ziehen, liegt westlich davon die europäische Halbinsel, östlich davon ist Russland. Niemand hat Russland jemals dauerhaft besetzt, aber Russland hat sich immer nach Westen bewegt. Jetzt ist es sein weitester Punkt im Osten (aus westlicher Sicht!) ungefähr die Linie, die seine Grenze zu den baltischen Staaten, Weißrussland und der Ukraine bildet.

Die Frage, die jetzt die Russen beschäftigt, ist, ob sie die Ukraine wenigstens als eine neutrale Pufferzone erhalten werden, oder ob der Westen so weit in die Ukraine vordringen wird, dass er nur noch 100 Kilometer von Stalingrad und 500 Kilometer von Moskau entfernt ist. Für Russland ist der Status der Ukraine eine existenzielle Bedrohung und die Russen können nicht loslassen.

Für die Vereinigten Staaten stellt sich für den Fall, dass Russland an der Ukraine festhält, die Frage: „Wo wird es aufhören?“. Es ist es kein Zufall, dass General Hodges, der ernannt wurde, um für all dies gerade zu stehen, davon spricht, vorab Truppen in Rumänien, Bulgarien, Polen und den baltischen Staaten in Stellung zu bringen. Das ist das Intermarium, vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee, von dem Pilsutsky geträumt hat. Für die USA ist das die Lösung.

Die Frage, auf die wir keine Antwort haben ist: „Wie wird Deutschland sich verhalten?“ Die unbekannte Variable in Europa sind die Deutschen. Während die USA diesen Sicherheitsgürtel aufbauen, nicht in der Ukraine, sondern westlich davon und die Russen versuchen, herauszufinden, wie sie die Ukrainer außer Gefecht setzen können, wissen wir nicht, wie die deutsche Haltung ausfallen wird.

Deutschland befindet sich in einer sehr eigenartigen Lage. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sitzt im Aufsichtsrat von Gazprom. Die Deutschen haben eine sehr komplexe Beziehung zu den Russen. Die Deutschen wissen selber nicht, was sie tun sollen. Sie müssen ihre Waren exportieren, die Russen können ihnen ihre Waren abnehmen. Andererseits, wenn sie die Freihandelszone verlieren, dann müssen wir etwas anderes aufbauen. Die Urangst der USA ist, das deutsches Kapital und deutsche Technologien sich mit russischen Rohstoffen und russischer Arbeitskraft verbünden. Eine einzigartige Kombination, vor der die USA seit Jahrhunderten eine Höllenangst haben.

Wie wird sich das also abspielen? Die USA haben ihre Karten bereits auf den Tisch gelegt. Die Linie zwischen dem Baltikum und dem Schwarzen Meer. Die russischen Karten lagen schon immer auf dem Tisch. Das mindeste was sie brauchen, ist eine neutrale Ukraine. Keine prowestliche. Weißrussland ist eine andere Frage. Wer mir nun sagen kann, was die Deutschen tun werden, der kann mir auch sagen, wie die Geschichte der nächsten 20 Jahre aussehen wird. Aber leider haben sich die Deutschen noch nicht entschieden und das ist immer das Problem Deutschlands. Wirtschaftlich sehr mächtig, geopolitisch sehr fragil. Und es weiß nie, wie es beides versöhnen kann. Seit 1871 ist das die deutsche Frage. Die Frage Europas. Denken sie über die deutsche Frage nach, denn sie kommt jetzt wieder auf uns zu. Dieser Frage müssen wir uns jetzt stellen und wir wissen nicht, was die Deutschen tun werden.

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